In Deutschland stehen rund vier Millionen Selbstständige und Freiberufler vor einer enormen Herausforderung: der eigenen Altersvorsorge. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten, dem demografischen Wandel und unregelmäßigen Einkünften wächst die Sorge um ein würdevolles Leben im Alter und zwingt viele dazu, sich aktiv mit ihrer Zukunft auseinanderzusetzen.
Aktuelle Lage und Risikofaktoren
Die demografische Entwicklung verschärft die Lage: Immer weniger Erwerbstätige müssen für eine wachsende Zahl von Rentnern aufkommen. Während Angestellte meist automatische Beiträge über den Arbeitgeber leisten, sind Selbstständige in ihrer Vorsorge häufig auf sich allein gestellt. Rund drei Millionen Solo-Selbstständige gelten heute als stark von Altersarmut bedroht.
Besonders prekär ist die Situation von Gründern und Freiberuflern mit unterdurchschnittlichem Einkommen und hoher Unsicherheit. Die Corona-Pandemie hat diese Problematik weiter verschärft, indem sie Auftragslagen einbrechen ließ und Rücklagen aufzehrte. Eine repräsentative Umfrage unter 1.000 Selbstständigen zeigt, dass 54 % befürchten, im Ruhestand den aktuellen Lebensstandard nicht halten zu können.
Gesetzliche Rahmenbedingungen und Reformpläne
Bislang sind nur bestimmte Berufsgruppen gesetzlich verpflichtet, in die Rentenversicherung einzuzahlen. Dazu zählen etwa Hebammen, Publizisten oder Küstenschiffer. Etwa eine Million Selbstständige sind derzeit Pflichtversicherte, darunter Anwälte, Apotheker und Pfleger in Versorgungswerken.
Die Bundesregierung plant, diese Pflichtversicherung ab 2025 auf alle neuen Gründer auszuweiten, die keine anderweitige Absicherung nachweisen können. Das Gesetz „zur Einbeziehung des Selbstständigen in das System der Alterssicherung“ will eine gründungsfreundliche Altersvorsorgepflicht etablieren. Demnach können Betroffene wählen zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und alternativen, insolvenzsicheren Vorsorgemodellen mit garantierter Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus.
Kritik und Herausforderungen der Pflichtvorsorge
Kritiker kritisieren, dass die neue Pflicht den Kern unternehmerischer Freiheit trifft. Gerade in der Gründungsphase ist Liquidität entscheidend, und ein fester Mindestbeitrag kann Existenzgründer belasten. Die Mindestbeiträge von 348,29 Euro monatlich oder 18,6 % des Einkommens stehen in der Kritik, da sie vor allem bei geringem Umsatz als hohe finanzielle Belastung für Start-ups empfunden werden.
Ein weiterer Einwand lautet, dass mehr staatliche Regulierung zu weniger Flexibilität führe und das unternehmerische Risiko verdränge. Befürworter entgegnen jedoch, dass ohne verpflichtende Vorsorge viele im Alter auf Grundsicherung angewiesen wären und somit letztlich die Solidargemeinschaft zusätzlich belastet würde.
Konkrete Zahlen und Leistungsansprüche
Laut Alterssicherungsbericht 2016 erhalten 3,7 % der ehemals Selbstständigen später Grundsicherung – fast doppelt so viele wie bei sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Diese Zahl unterstreicht die Dringlichkeit, bereits heute aktiv vorzusorgen.
Wer in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlt, profitiert neben der Altersrente auch von Leistungen im Todesfall, Reha-Angeboten und Erwerbsminderungsrente. Selbstständige können innerhalb der ersten fünf Jahre nach Gründung freiwillig der Pflichtversicherung beitreten, um ihren Versicherungsschutz individuell zu gestalten.
Private und alternative Vorsorgemöglichkeiten
Neben der gesetzlichen Rentenversicherung gewinnen private Modelle an Bedeutung. Die Rürup-Rente (Basisrente) ist speziell auf Selbstständige zugeschnitten und bietet steuerliche Förderungen und Insolvenzsicherheit. Auch private Rentenversicherungen und fondsgebundene Policen können für die Ergänzung sorgen.
- Rürup-Rente: staatlich gefördert, flexibel beitragsfähig
- Private Rentenversicherung: garantierte Leistung plus Überschüsse
- Fondsgebundene Modelle: höhere Renditechancen bei Volatilität
- Investmentfonds und ETFs: direkter Vermögensaufbau und Liquidität
Handlungsempfehlungen für Selbstständige
Um die eigene Vorsorgesituation zu stärken, sollten Selbstständige und Freiberufler folgende Schritte umsetzen:
- Frühzeitige Auseinandersetzung mit der Altersvorsorgepflicht und möglichen Beitragswegen
- Regelmäßige Rücklagenbildung und strukturierte Budgetplanung
- Einholung individueller Beratung bei unabhängigen Experten oder Verbänden
- Kombination aus gesetzlicher, privater und betrieblicher Vorsorge zur Risikostreuung
Dem Erfolg einer Vorsorgestrategie liegt stets die kontinuierliche Überprüfung und Anpassung der Pläne zugrunde. Lebensumstände, Einkommensentwicklung und gesetzliche Rahmenbedingungen ändern sich – und die Vorsorge muss flexibel darauf reagieren.
Blick in die Zukunft
Die Debatte um Altersvorsorgepflicht zeigt, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft mehr denn je zusammenarbeiten müssen. Ein ausgewogenes System, das sowohl die Freiheit der Selbstständigen wahrt als auch eine ausreichende Absicherung garantiert, ist das Ziel. Nur so kann ein langfristig stabiler Sozialstaat funktionieren, der allen Generationen gerecht wird.
Für alle, die heute den Schritt in die Selbstständigkeit wagen oder bereits mittendrin sind, gilt: Planung, Wissen und Aktion sind der Schlüssel zu einer sorgenfreien Rente. Wer sich jetzt engagiert und die richtigen Entscheidungen trifft, kann später nicht nur eine finanzielle Sicherheit genießen, sondern auch auf eine erfüllte, selbstbestimmte Lebensphase blicken.
Referenzen
- https://versicherungsprinz.de/selbststaendigkeit/rentenversicherungspflicht-selbststaendige-2024/
- https://www.versicherungenmitkopf.de/rentenversicherung/rentenversicherungspflicht-selbststaendige
- https://buendnis-deutschland.de/pflicht-rentenversicherung-fuer-gruender/
- https://www.cash-online.de/a/altersvorsorge-fuer-selbststaendige-neue-studie-zeigt-grosse-sorgen-um-finanzielle-absicherung-692124/
- https://www.deutsche-rentenversicherung.de/DRV/DE/Ueber-uns-und-Presse/Presse/Meldungen/2025/250113-selbstaendige-in-der-rentenversicherung.html